Berichte von 10/2013

Die Straßen von San Francisco

Dienstag, 01.10.2013

Wer hat diese Serie damals nicht gesehen, mit dem knollennasigen Karl Malden und seinem toughem jungen Kollegen Michael Douglas? Der Tag begann aber nicht mit den Straßen von San Francisco, sondern mit der Fahrt vom "letztem" Campingplatz zur RV-Abgabe in San Leandro. Das Fahrzeug war betankt abzugeben, und gerade noch rechtzeitig wurde bei der zuerst angesteuerten Tankstelle erkannt, dass unter dem Dach nur 11" Höhe vorhanden waren, das Vehikel aber 12" benötigte. Also wurde an einer anderen Tankstelle, von denen es zahlreiche gab, vollgetankt. Vom Fahrzeugvermieter wurden die Reparaturkosten für die Treppenstufen des ersten Fahrzeugs nach Rücksprache mit einer höheren Instanz voll anerkannt. Für die Zeit mit dem beeinträchtigten vorderen Auszug gab es eine Entschädigung. Die Kosten für die Beseitigung der seitlichen Kratzer und die Erneuerung des Außenspiegels gingen zu unseren Lasten, auch das Strafmandat, dessen Begleichung aber der Vermieter übernahm. Und dann waren wir das Fahrzeug los. Kein Kapitän der Landstraße mehr, kein Wohn-, Schlafzimmer und keine Toilette mehr dabei, aber auch keine nervige Parkplatzsuche und keine knappen Fahrräume mehr. Ein junges deutsches Paar, das gerade seine mehrwöchige Fahrt startete, berichtete enttäuscht, dass alle Nationalparks wegen staatlicher Finanzierungsprobleme geschlossen worden seien und sie gar nicht wüssten, was sie jetzt unternehmen sollten. Zuerst sollte der Transfer von San Leandro zum Flughafen San Francisco erfolgen, dann hieß es, auf eigene Faust könne man vom Bahnhof in San Leandro mit einem Zug in die Stadtmitte von San Francisco gelangen, doch dann erklärte sich der Taxichauffeur bereit, uns nach dem Absetzen der anderen sechs Mitfahrenden zur Marketstreet in der Nähe unseres Hotels zu bringen. Das Metropolis-Hotel liegt sehr zentral. Das Einchecken war kein Problem, obwohl wir kein Voucher vorlegen konnten, das erst nach unserer Abreise mit der Post in Münster eingegangen war.        Der Nachmittag war sonnig warm, fast 80 ºF, und wurde zu einer ersten Erkundung genutzt. Es ging zum Union Square, durch den Financial District und das bunte China Town, durch die Lombard Street auf den Telegraph Hill mit dem Coit Tower, von wo man Alcatraz und in der Ferne die Golden Gate Bridge erkennen konnte, dann zu Fisherman's Wharf mit dem bekannten Pier 39. Die nördlichen Piers tragen ungerade Nummern, die südlichen gerade Nummern. Die Rückfahrt Richtung Hotel erfolgte in der alten Cable-Bahn. Dabei war uns vorher nicht bewusst gewesen, welch lautes Geräusch das in einem Hohlprofil gezogene Kabel erzeugt, und wie es nach verbranntem Eisen riecht, wenn der Waggon gebremst wird. Eine Reiseteilnehmerin hatte einige Probleme mit ihren Füßen.

Ersatzprogramm

Mittwoch, 02.10.2013

Jetzt hat uns das US Government Shutdown auch erreicht. Der National Park Alcatraz ist geschlossen und die beabsichtigte Fahrt dorthin muss ausfallen. Die Reiseleitung wurde aufgefordert, kurzfristig ein gleichwertiges Ersatzprogramm durchzuführen.          Also wurde der große Traum "Golden Gate Bridge" erfüllt. An der Reception im Hotel erfolgte die Information, wie man mit dem Bus zur Brücke gelangt, fast eine Stunde Fahrtdauer. Viele, die dort gewesen sind, berichteten über diesige Verhältnisse, aber an diesem Tage herrschte Sonnenschein, die Sicht war gut und die Temperatur betrug gut 20 ºC. Die komplette Reisegruppe wanderte die 3 km über die Brücke und wieder zurück und genoss die Aussichten auf den pazifischen Ozean und die Himmelslinie der Stadt, ein erhobenes Gefühl.  Danach ging es auf der Presidio-Promenade an der Bucht von San Francisco entlang und an der Marina vorbei. Während des Spazierganges, innerhalb von etwa fünf Stunden, lief nur ein einziger Frachter in die Bucht ein. Mit dem Bus ging es zum Hotel zurück,  wobei ein älterer Herr im Bus der Gruppe einen übersichtlicheren Fahrplan mit freundlichen Worten überließ. Der Abend wurde mit einem leckeren Essen in einem chinesischem Lokal abgeschlossen, wo die Gerichte anders als in chinesischen Restaurants in Deutschland sind.          Übrigens hatte die Reiseleitung verschwiegen, dass der Golden Gate Bridge-Ausflug an einem anderen Tage ohnehin vorgesehen war.

Flowers in your Hair

Donnerstag, 03.10.2013

"Be sure to wear flowers in your hair." Der (!) Schlager der Hippie-Zeit von Scott McKanzie geht uns durch den Kopf, wenn wir durch die Straßen von San Francisco laufen, heute, am 60. Reisetag, zuerst zu einem Amtrak-Büro, wo die Fahrkarten für die Rückfahrt abgeholt werden sollen. Die originalen Fahrkarten liegen nämlich in Deutschland, weil sie erst nach der Abreise mit der Post zugestellt wurden.          Wieder einmal läuft so es nicht so wie geplant. Bei Amtrak gab es Fahrkarten nicht in drei Etappen, wie gebucht, sondern in vier Etappen. Die erste Etappe soll in Salt Lake City UT enden, wo der Zug nachts gegen drei Uhr eintrifft, und nicht in Glenwood Springs CO. Auf Nachfrage, warum die Fahrkarten so ausgestellt waren, stellte sich nach gewissen sprachlichen Verständigungsproblemen heraus, dass die Gleise auf einer Teilstrecke zwischen den beiden Orten bei einem Unwetter weggespült worden seien und wir deshalb - in Deutschland würde man von Schienenersatzverkehr reden - mit einem Bus diese zweite Etappe acht Stunden lang fahren müssten. Die Etappen von Glenwood Springs nach Denver (dritte Etappe) und von Denver nach Chicago (vierte Etappe) sollen planmäßig verlaufen. Auf Nachfrage soll es auch möglich sein, die beiden Koffer am Tag vor der Zugabfahrt an der Fährstation (Pier 1) aufzugeben, die dann aber bis Chicago durchgehen würden, und am Sonntag um 7:10 Uhr bei einer Amtrak-Busstation, die nur 400 m vom Hotel entfernt gelegen ist, zuzusteigen. Hoffentlich wurde alles richtig verstanden.  Wegen einer Entschädigung sollen wir uns mit dem Reisebüro in Deutschland in Verbindung setzen, bei dem wir die Amtrak-Fahrt gebucht haben, und zwar vor Fahrtantritt.         Danach wurde zuerst das sehr kleine Railway Station Museum besichtigt, das über die Entwicklung der elektrischen Straßenbahnen in "San Fran" (wie die Stadt hier genannt wird, nicht "Frisco") informiert. Der Weg führte weiter an den Piers entlang - am Pier 39 gab es Krabbenbrötchen - bis zum SF Maritime National Historical Parc, und wir ahnten es bereits und so war es dann auch: die Einrichtung war wie alle staatlichen Anlagen wegen der Finanzierungsprobleme geschlossen; diese dämlichen Politiker; jetzt bekamen sie auch nicht unser Eintrittsgeld.          Anschließend ging es bergauf, zu der am meisten photographierten Straße von SF, der Lombard Street mit ihren Serpentinen. Lange mag man zuschauen, wie sich die Autos, in den meisten sitzen wohl Touristen, sich durch die engen Kurven quälen. Einige Taxis waren erstaunlich schnell, wenn die Fahrbahn frei war.         Am Nachmittag war die letzte Station das historische Gebäude des Cable Car Museum. Abgesehen von den Exponaten, den Informationen über die Technik und der kleinen Photoausstellung über die Folgen des Erdbebens von 1906 begeisterte der Blick auf die Kabelantriebsräder der vier Linien. Und dann ermöglichte es uns die Betriebsleitung, bei der Instandsetzung eines Kabels zuzuschauen. Bei unserer Ankunft war das Antriebsrad der Powell-Mason-Linie noch in Betrieb, doch kurz danach geschah der Bruch. Etwa 15 Arbeiter, die mit der Erledigung dieser Aufgabe nicht ungeübt erschienen, waren damit beschäftigt, die beiden Kabelenden wieder zusammenzufügen, und das vor unseren Augen eine Etage höher. Das Ende der Reparaturarbeiten vermochten wir nicht abzuwarten, denn die Arbeit nahm etwa fünf Stunden Zeit in Anspruch. Jedenfalls war die Linie am Abend wieder in Betrieb.

Du bist die Stadt für mich

Freitag, 04.10.2013

Der Schlager von den Kessler-Zwillingen (so etwas wie Tokyo Hotel der Antike) mag ja noch so blöd sein, doch wenn man ihn in seiner Jugend gehört hat, gehen Melodie und Text immer wieder durch den Kopf: "San Francisco, du bist die Stadt für mich, die etwas hat für mich, die mir gefällt." Der in den 40er Jahren geborene Reiseleiter litt unter diesem Ohrwurm; später geborenen Reiseteilnehmern war der Schlager völlig unbekannt.          Das Hotel hat den Vorteil, zentral an der Market Street zu liegen, aber auch nachts herrscht ziemlicher Lärm auf der Straße. Der Tag begann wie die Vortage, angenehm sonnig und warm mit leichtem Wind nach einer kühlen Nacht.          Trotz des sonnigen Wetters leisteten wir uns wieder einmal einen Museumsbesuch. Weil bis zur Öffnung des Asian Art Museums um 10 Uhr noch 20 Minuten Zeit verblieben, lustwandelten wir um den Platz Civic Center mit Stadtbibliothek, Auditorium, Symphoniehalle, Opernhaus und Veteran's Building. In die City Hall wollten wir erst nicht hinein, sahen dann aber viele Japaner die Treppen hinaufsteigen und schlossen uns ihnen an (Herdendrang?). Nach Passieren der Sicherheitsschleuse beeindruckte uns der Mittelbau mit der Kuppel. Zufällig stellte sich dann heraus, dass um 10 Uhr eine Führung durch den Bau begann, der wir uns anschließen konnten. Die Gästegruppe bestand aus einem Franzosen, drei Japanern und uns beiden Deutschen. Wir erfuhren, dass das vorherige Rathaus nach dem Erdbeben 1906 abgebrannt ist und der jetzige Bau von den Architekten Baker und Brown geplant und 1913 eingeweiht worden ist, jetzt also genau 100 Jahre alt und damit ebenso alt ist wie das Neue Rathaus in Hannover und zudem aus dem Geburtsjahr von Opa Ernst stammend. Natürlich weist er auch einen Superlativ auf: Die Kuppel ist die größte der USA hinsichtlich ihres Durchmessers und ihrer Höhe. Der Bau wurde dem Invalidendom in Paris nachempfunden. Der Bürgermeister,  unter dem der Neubau entstanden war, wollte seinen Namen eingraviert sehen, was ihm verweigert wurde. Da ließ er eines Nachts seinen Namen in den Hauptträger an der Kuppel meißeln und die Buchstaben zur besseren Kenntlichmachung zusätzlich noch anmalen. Die Stadt nahm es hin, versöhnte sich mit ihm und ergänzte später auch noch die Jahresdaten. In den Folgejahren hat man im Inneren des Baus immer weitere Büroräume eingebaut und dem Gebäude damit seine Großzügigkeit genommen. Als der Dom 1938 bei einem weiteren Erdbeben fast zerstört wurde, hat man die Rekonstruktion zum Anlass genommen, den Zustand wie bei der Einweihung wieder herzustellen. Auch wurden nachträglich 640 Stoßabsorber ("Jacks") unter dem Bauwerk installiert. Der Innenausbau erfolgte teils mit Marmor, dabei auch italienischer, in weiten Bereichen auch mit poliertem Kalkstein. In zwei großen Fenstern ist das Schiff San Carlos dargestellt, dass die Bucht von San Francisco 1775 als erstes europäisches Schiff erreichte. Besichtigt wurden auch der holzgetäfelte Gerichtssaal und das Vorzimmer des Bürgermeisters mit seinem Balkon zum Platz. Die City Hall ist als Ort für Hochzeiten beliebt. Interessant war auch noch zu erfahren, wie der Name "Golden Gate" entstanden ist. Im Krieg gegen Mexiko kam 1846 General Fremont in die Bucht, gab ihr wegen der günstigen Lage den Namen und ließ diesen in die Karten eintragen; später wurde der Name allgemein übernommen. Er dachte dabei vor allem an den Handel mit Asien, der aber erst heutzutage richtig in Schwung gekommen ist.          Kurz nach 11 Uhr gelangten wir dann in das Asian Art Museum, dem nachgesagt wird, dass es die weltweit bedeutendste Sammlung von Asiatika beherbergt. In der Tat handelt es sich um eine umfangreiche Kollektion von außergewöhnlichen Exponaten, zusammengetragen aus Indien, Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka, Kambodscha, Thailand, Indonesien, Vietnam, Burma, Laos, Malaysia, den Philippinen, Tibet, Nepal, Bhutan, Mongolei, Korea, natürlich China und Japan (umfangreich), und das seit der frühesten Zeit bis heute. Viele Darstellungen beziehen sich auf die buddhistische und hinduistische Götterwelt. Mit dieser für uns exotischen Geschichte, verknüpft mit dem europäischen Kolonialismus, haben wir uns bis nach 16 Uhr befasst. Im Museumsrestaurant wurde natürlich asiatisch gegessen.         Danach begab sich die Reiseteilnehmerin zurück auf den Weg zum Hotel, den sie auch fast alleine gefunden hätte, während der Reiseleiter noch weitere Besichtigungen vornahm (Mission Dolores mit Missionskirche, leider bereits um 16:30 Uhr geschlossen, neue und alte Münzprägeanstalt, Moscone Center West). Nach dem japanischen Abendessen - es sollte ein voller asiatischer Tag werden - im Westfield San Francisco Center verzweifelte eine Reiseteilnehmerin fast, weil es im gesamten Center und auch bei Bloomingdale's kein Stickgarn der Sorte "schneeweiß" gab.          Während in San Fran tagsüber gute 25 ºC geherrscht haben dürften, wurde schon mal nach den in den nächsten Tagen zu erwartenden Wetterverhältnissen gegockelt. Schock: Für Denver CO hieß es: 2 ºC und leichter Schneefall. Sollen wir besser hier bleiben?

Letzter Tag in San Fran

Samstag, 05.10.2013

Das Wetter ist beständig: nachts kühl und tagsüber sonnig. Heute soll es in den Lincoln Park gehen.          Mit MUNI-Bussen dauerte die Fahrt etwa eine Stunde, weil die Stadt so flach gebaut wurde und deswegen so ausgedehnt ist und weil es die San Francisconer versäumt haben, ein Metrosystem zu bauen. Das Hauptgebäude im Park ist der Palace of the Legion of Honor, ein beachtenswertes Museum mit Sammlungen, die reiche US-Amerikaner vor allem in Europa zusammengekauft und dem Museum übereignet haben. Besonders umfangreich ist die Rodin-Kollektion, dabei der Denker, Das Alter der Bronze und der Kuss. Aber auch die anderen Bereiche konnten sich sehen lassen, wie Gemälde von El Greco (St. Francis Venerating the Cruzifix und Johannes der Täufer), Rubens (The Tribute Money), van der Donk (Der Hochzeitsvertrag), Degas (Trotting Horse, eine leicht zu übersehende kleine Statue), Monet (The grand Canal und natürlich Water Lilies) und noch viele andere. Hingegen zeigten die ägyptischen und altgriechischen Museumsbereiche zwar exquisite Exponate, waren aber relativ klein, abgesehen von einer Porzellansammlung, dabei auch Stücke aus der Anfangszeit in Meißen. Nach dem Verlassen des Museums wurde nochmals ein Blick auf die goldene Torbrücke geworfen. Schließlich gehörte zum Lincoln-Park auch ein Mahnmal für die Holocaust-Opfer.  An der Bushaltestelle stellte sich uns Susan mit Handschlag vor, die deutsche Vorfahren hatte, als 19jährige 1968 in Madrid studierte, durch Europa getourt war und dabei auch eine Fahrt auf dem Rhein unternommen und einige deutsche Redewendungen parat hatte.         Im Hotel wurden anschließend die beiden großen Koffer gepackt, die bei Amtrak aufgegeben werden sollten, bzw. es wurden die Gegenstände separiert, die im kleinen Koffer auf die Zugfahrt mitgenommen werden müssen. Mit einer historischen MUNI-Straßenbahn wurden die Koffer zum Amtrak-Büro am Fährengebäude gebracht. Vorher war im Internet recherchiert worden, dass bis 22:45 Uhr geöffnet sein sollte, doch war das Büro bei der Ankunft um 18:30 Uhr verschlossen. Auf einem Zettel an der Tür war zu lesen, dass das Büro erst um 7:10 Uhr wieder geöffnet werden sollte, ohne nähere Begründung. Zum Glück lasen wir noch ein p.m. hinter der Uhrzeit, warteten etwa eine dreiviertel Stunde und konnten dann die Koffer durchgehend bis Chicago aufgeben.          Der Abend war warm und die Luft wehte lau. Mit leichter Bekleidung wurde Abschied aus San Fran außen in der Market-Bar, am Pier 1 am Beginn der Market-Straße, der diagonalen Hauptstraße, mit einem Cocktail genommen. Für Ronald: der weibliche Teil der Reisegruppe wählte einen Sparkling Hangar One, der männliche einen Fresh Fruit Tequila Mojito. Auf dem Rückweg ins Hotel wurde noch etwas Reiseproviant eingekauft. Übrigens waren in dieser Stadt besonders viele Bettler und heruntergekommene Menschen auffällig.

Wir sind Sleeper

Sonntag, 06.10.2013

Die Abfahrtszeit des Amtrak-Busses ist für 7:10 Uhr genannt. Die Bushaltestelle ist nur wenige Minuten Fußweg vom Hotel entfernt gelegen.          Der Amtrak-Bus kam pünktlich,  war zwar nicht als solcher ausgewiesen, doch gab sich der Fahrer zu erkennen, der etwa eine Stunde bis Emeryville brauchte. Nach einer Stunde Wartezeit startete der Amtrak-Zephyr pünktlich. Unser Schlafwagenschaffner Dee erklärte die Modalitäten und schloss mit den Worten: "You are my guests". Da wir erster Klasse reisten, waren Lunch und Dinner inkludiert. Für die Tischreservierung wurde gefragt, ob man "sleeper" sei, also ein Schlafwagenabteil gebucht hatte. Wir hatten uns bisher unter "sleepern" in den USA einen anderen Personenkreis vorgestellt. Die meiste Zeit verbrachten wir im Panoramawagen mit der phantastischen Aussicht, die immer wieder wechselte. Beim Lunch lernten wir einen 83jährigen Herrn kennen, der gerade aus Hawaii zurückkehrte, um die Stätten seiner Kindheit und Jugend noch einmal zu sehen und von seiner Cousine begleitet wurde. Beim Abendessen saßen wir mit zwei jungen Männern zusammen, möglicherweise Homosexuelle, die das Wochenende in San Francisco verbracht hatten und von denen einer mit Nachnamen Sievert hieß. Zur Nacht wurde unser Abteil vorbereitet: die beiden Sessel wurden zu einem unteren Bett zusammengeschoben, etwa 80 cm breit, und darüber wurde als zweites Bett eine Platte von der Wand herabgeklappt, etwa 60 cn breit, ohne Leiter und mit wenig Platz zur Decke. Das obere Bett belegte der Reiseleiter.

Im Oktober ins Freibad

Montag, 07.10.2013

Die Nacht im Zug war grottig, laut und keine Erholung. Hinzu kam, dass gegen 3 Uhr in Salt Lake City umgestiegen werden musste. Wie bereits erwähnt, ist eine Teilstrecke der Gleise bei einem Unwetter weggespült worden. Das Amtrak-Personal empfanden wir wieder einmal als relativ unfreundlich. Etwa gegen 4 Uhr startete dann der Bus Richtung Denver, der uns bis Glenwood Springs, in der Nähe von Aspen gelegen, mitnahm. Die Fahrt ging auf großen Längen durch das Colorado-Tal, oft neben dem Fluss daher, mit schönem Blick auf die Einschnitte des Flusses. An unserem Tagesziel kamen wir mittags

gegen 12 Uhr an (nach insgesamt 29 Stunden Fahrt), wo für uns ein Zimmer reserviert war. Das Hotel, ein für US-amerikanische Verhältnisse historischer, ansehlicher Bau, war eine angenehme Überraschung, direkt gegenüber vom Amtrak-Bahnhof. Unser Raum, etwa 40 m2 groß,  mit zwei großen Betten (ein so genannter Double Queen Room), wies große, schallgedämmte Fenster auf, durch die wir den Colorado River und seine Hänge sahen. In allen Gängen und auch in unserem Zimmer waren alte Möbel aufgestellt.          Glenwood Springs ist wegen seiner Schwefelquelle berühmt. Sogar einer der beiden jungen Männer, mit denen wir am Vorabend im Zug gespeist hatten, kannte die Quelle und lobte sie sehr. Bereits 1880 hat ein findiger bzw. pfiffiger Anwohner das 50 ºC warme Schwefelwasser vulkanischen Ursprungs zum Trinken verkauft, das gegen alle möglichen Unpässlichkeiten helfen soll. Den Nachmittag verbrachten wir im Freibad, das von der Quelle gespeist wird. Das geschätzte 30 m auf 150 m große Becken ist mit Wasser gefüllt, das eine konstante Temperatur von 32 ºC aufweist. Die Lufttemperatur lag am frühen Nachmittag bei etwa 19 ºC, aber von der Sonne bestrahlte Flächen waren deutlich wärmer. In einem kleineren Becken war sogar eine Temperatur von 40 ºC eingestellt, worin Birgit  ihren Kreislauf aber nach kurzer Zeit als zu sehr belastet empfand. Nicht nur das angenehme Wasser begeisterte, sondern auch der Blick ringsum auf die bewachsenen Hänge des Colorado River, einige Laubbäume herbstlich gefärbt,  eben der Indian Summer in Colorado. Alles in allem wurde der Nachmittag als eine Entschädigung für den Unbill der Busreise empfunden.          Für Ronald: Die Reisegruppe wählte vor dem Abendessen einen sehr geschätzten Upside Down Pineapple Martini und der Reiseleiter einen Canyon Margarita, außerdem ein Root-Bier aus der hauseigenen Brauerei, das ihm gar nicht mundete.

Schnee

Dienstag, 08.10.2013

Der Reiseleiter nutzte die Morgenstunden bei wenigen Graden über dem Gefrierpunkt, um die Grabsteine von Doc Holliday und Kid Curry aufzusuchen. Dann wurde bei Amtrak geklärt, welche Abfahrtszeit gültig wäre, die auf dem Fahrplan (12:10 Uhr) oder die auf den Tickets (12:45 Uhr). Erstmalig wurde ein sehr netter Amtrak-Mitarbeiter angetroffen, der darüber informierte, dass die Angabe auf den Fahrkarten maßgeblich sei, denn es würde ein Bus und kein Zug bis Denver fahren, was wir schon befürchtet hatten. Die Zeit bis zur Abfahrt wurde genutzt, um zur Einmündung des Rio Grande (!) in den Colorado River zu laufen und dort auf einer Bank in der warmen Oktobersonne einige Zeit zu sitzen. Niemand soll sich beschweren, dass nicht genügend Mußezeiten gewährt würden.         Die Busfahrt durch die Rocky Mountains ging zunächst parallel zum Colorado-River hinauf. Wir "enjoyten" die Tour mit phantastischen Aussichten durch die engen Schluchten, vorbei an Orten mit solchen Namen wie Grizzly Creek, Beever Creek usw. Laubbäume zeigten gelbe Blätter (Indian Summer), dazu dunkelgrüne Nadelbäume, braunes Coloradowasser, weißer Schnee und darüber blauer Himmel mit wenigen Wolken, Color-ado eben. Überschritten wurde der Veil-Pass, mit 3.250 m ein hoher Pass der Rocky Mountains. Nach knapp vier Stunden Fahrzeit mit zwei kürzeren Staus wurde Denver erreicht, wo die Sonne unerwartet warm schien. Vom Bahnhof dauerte der Fußweg eine dreiviertel Stunde bis zum Hotel in der Innenstadt. Fußgänger wurden wegen umfangreicher Bauarbeiten am Bahnhof weit umgeleitet und mussten mehrmals die Seite wechseln.          Am Abend war es noch möglich, in der 16th Street, der einzigen Fußgängerzone, bei gut 20 ºC draußen zu essen. Auf dieser Straße verkehrt ein kostenfreier Shuttle-Bus im 5-Minuten-Takt hin und her. In einem Laden sprach uns der Kassierer, ein junger Mann, auf Deutsch an, der deutsche Litertur studiert, nach seinem Studium keine adäquate Beschäftigung gefunden hatte und mit seiner jetzigen Tätigkeit einigermaßen zufrieden war.

Der Denver Clan

Mittwoch, 09.10.2013

Es steht für heute die Stadtbesichtigung von Denver an und vielleicht begegnen uns beim Lustwandeln zwischen den Wolkenkratzern Krystle, Blake oder das Biest Alexis.          Der Rundgang begann am State Capitol mit einer Führung durch das Gebäude. Denver wird die "one mile city" genannt, weil sie "genau" eine Meile über dem Meeresspiegel liegt. Bei drei Messungen wurden drei unterschiedliche Höhen ausgemacht, so dass jetzt drei Marker die Eine-Meile-Höhe angeben. Anschließend wurde das Molly Brown-Haus aufgesucht (Wer? Hinweise: Titanic und Musical). Dann ging es an einem Denkmal für die Teilnehmer aus Colorado am Bürgerkrieg und an einer Gedenksäule für Veteranen vorbei, auch an einer Essensausgabe für Arme, dann an der City Hall. Das kleine Museum der Feuerwehr von Denver wurde besichtigt. Nach einem Bummel durch die Stadt wurde das Gepaeck am Hotel abgeholt. Übrigens sind wir den Carringtons nicht begegnet.          Jetzt geht es zum Amtrak-Bahnhof.          Vor der Abfahrt saßen wir noch einige Zeit in der warmen Oktobersonne am Zusammenfluss von South Platte River und Cherry Creek.

Lost in Transportation

Donnerstag, 10.10.2013

Die Nacht auf den schmalen Betten und bei den Geräuschen im Zug war nicht erquicklich. Bei den Essen kam man mit anderen Reisenden ins Gespräch. Lange Zeit saßen wir in der "Observation Lounge". Nach insgesamt fast 20 Stunden erreichten wir Chicago und wollten die beiden in San Francisco aufgegebenen Koffer abholen, doch waren diese nicht aufzufinden. Nach gut einer Stunde Sucherei wurde ein Verlustformular ausgefüllt. Sollten die Koffer rechtzeitig aufgetrieben werden, würden sie ins Hotel geliefert.          Das Congress Plaza Hotel ist Spitze: ein Zimer mit etwa 60 m2, zwei riesige Betten und Aussicht auf den Michigan-See. Nur werden täglich 10 $ für die Internet-Nutzung verlangt, weshalb dieser Tagesbericht in einem Starbucks-Cafe verfasst wurde.

Fast Stammkunde bei Starbucks

Freitag, 11.10.2013

Morgens unternahm der Reiseleiter einige Erkundungen zu Fuß. Am Vormittag ging es zu dem Museum in Chicago, vor dem wir nach Angabe einer Reiseteilnehmerin vor zwei Monaten gestanden hatten, aber nicht hineingegangen waren. Da der Bau jedoch nicht wiederzufinden war, wanderten wir auf dem Lake Front Trail längere Zeit bei warmer Oktobersonne am Michigan-See entlang. Mittag wurde in einem italienischen Restaurant gegessen, in dem es keinen Cappuccino gab ("Wir haben nur Kaffee!") Danach genoss die Reisegruppe die Aussicht aus der Hotelsuite, während der Reiseleiter bis zum Pier 39 durch die Straßen streifte. Das WiFi wurde wieder bei Starbucks genutzt. Übrigens kam wegen der fehlenden Koffer keinerlei Information.

Rückreisetag - Was ist mit den Koffern?

Samstag, 12.10.2013

Der Morgen begann mit der wunderschönen Aussicht aus dem Hotelzimmer auf den Michigan-See und die Vorbereitungen auf das Chicago-Marathon 2013. Bis zum Auschecken aus dem Hotel waren unsere Koffer nicht angeliefert worden; auch lag bei der Rezeption keine Nachricht von Amtrak für uns vor. Also bestand die letzte Chance darin, nochmals bei Amtrak vorzusprechen. Im Gepäckausgaberaum war kein Mitarbeiter anwesend. Nach Auffinden einer Servicestelle verwies die Mitarbeiterin hartnäckig darauf, dass Amtrak in San Francisco, wo die Gepäckaufgabe erfolgt war, zuständig sei und nicht das Büro in Chicago. Eine E-Brief-Adresse wollte sie nicht nennen; wir sollten uns telefonisch von Deutschland aus an eine zentrale Stelle wenden. Als ihre Kollegin dazu kam, bestätigte diese alles, schlug aber nach einigen verärgerten Worten ("We trusted Amtrak. We are very angry.") vor, gemeinsam mit dem Reiseleiter im Gepäcklagerraum nachzuschauen, wohin normalerweise kein Unbefugter kommt. Und tatsächlich standen die beiden Koffer dort ganz vorne. Mit den Worten, dass wir Amtrak jetzt wieder vertrauen könnten, verabschiedete sie sich.          Es war genügend Zeit, um noch auf einer Bank sitzend auf den Fluss in Chicago zu schauen. Anschließend wurde ein kleiner Imbiss bei Starbucks eingenommen, wo dieser Bericht verfasst werden konnte. Jetzt geht es zum Flughafen.

Yes, we did it!

Sonntag, 13.10.2013

70. Reisetag: 70 Tage älter, 70 Tage keine Tageszeitung, 70 Tage kein Fernsehen, und vor allem: 70 Tage keine Familie. Dafür aber 70 Tage voll gefüllt mit Erlebnissen, Eindrücken und Erfahrungen.          Beim Rückflug ab Chicago rollte die Maschine zunächst Richtung Startbahn, blieb kurz davor stehen und rollte zurück zum Standplatz. Nach einiger Zeit gab der Pilot bekannt, dass eine Warnanzeige leuchte und ein Mechaniker zur Überprüfung angefordet worden sei. Dieser stellte nur den Defekt der Warnanzeige fest, so dass der Airbus mit eineinhalbstündiger Verspätung Richtung Düsseldorf abhob. Wie immer war der neunstündige nächtliche Flug nicht erquicklich. Dann fiel auch noch der Zug vom Flughafen Düsseldorf nach Münster ersatzlos aus, so dass Umwege gefahren werden mussten. Das alles war vergessen, als die Reisegruppe am Bahnhof in Münster von einem Empfangskomitee mit einem Plakat begrüßt wurde und anschließend das traditionelle "welcome" erfolgte. Bis zum Abend wurde erste Eindrücke der Reise geschildert.          Damit schließt dieses Internettagebuch. Vielleicht verreisen auch Sie einmal mit MaLoTours. MaLoTours - das etwas andere Reiseunternehmen.